Die Rolle des Waldes im Quecksilberkreislauf Umweltwissenschaftler*innen untersuchen den Weg des Schadstoffs in Costa Rica
Jedes Jahr gelangen zwei- bis dreitausend Tonnen Quecksilber aus der Industrie in die Atmosphäre. Durch die lange Lebensdauer von Quecksilber in der Atmosphäre verteilt es sich über den gesamten Erdball. Das hochgiftige Spurenmetall, das die Gesundheit von Organismen schwer schädigen kann, zirkuliert in einem komplexen Kreislauf zwischen Luft, Boden und Gewässern. Dieser Quecksilberkreislauf steht im Fokus der Forschung von Dr. Marta Pérez-Rodríguez und Dr. Juan Morales Arteaga vom Institut für Geoökologie der Technischen Universität Braunschweig. Welche Rolle dabei die tropischen Wälder spielen, untersuchen die Umweltwissenschaftler*innen im DFG-geförderten Projekt „FORVEST-Hg“. Über ihre Forschung wird Dr. Marta Pérez Rodríguez am 11. Dezember in der „TU for Future“-Reihe unter dem Titel „From tropics to poles: understanding the mercury cycle under global change“ berichten.
Wälder haben einen erheblichen Einfluss auf den globalen Quecksilberkreislauf, vor allem weil Bäume während der Photosynthese Quecksilber aus der Atmosphäre aufnehmen. Dabei schwankt die Quecksilberkonzentration je nach Jahreszeit. Tropische Wälder sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, da sie eine beträchtliche Menge an Biomasse produzieren. Im Gegensatz zu Wäldern in gemäßigten Zonen gibt es in tropischen Wäldern keine ausgeprägte Herbst-Winter-Ruhephase, was zu einer gleichmäßigeren Biomasseproduktion in tropischen Wäldern führt. Die Datenlage zu tropischen Wäldern ist jedoch bislang begrenzt und konzentriert sich hauptsächlich auf tropische Regenwälder.
Jahreszeitliche Schwankungen im Quecksilberkreislauf
„Unser Projekt soll diese Wissenslücke schließen, indem wir verschiedene Arten von Tropenwäldern untersuchen, darunter tropische Trockenwälder, die fast die Hälfte des Jahres ohne Niederschlag bleiben. So erhalten wir Einblicke in die jahreszeitlichen Schwankungen der Quecksilberanreicherung“, erklärt Marta Pérez Rodríguez. „Außerdem schauen wir, wie sich Perioden mit schwankenden Niederschlägen in tropischen Regenwäldern auf den Quecksilberkreislauf auswirken. Und wir wollen analysieren, wie unterschiedlich Quecksilber in den beiden Waldtypen über die Blattstreu in den Boden gelangt.“
Dazu reiste Rodríguez gemeinsam mit ihrem Kollegen Juan Morales Arteaga nach Costa Rica. Während ihrer Feldarbeit sammelten sie unter anderem Blätter, Mulch und Baumholzkerne. Unterstützung beim Sammeln der Proben und bei der Bestimmung der Pflanzenarten erhielten sie von María A. Zúñiga Amador, J. Andrés Herra Araya und David Valverde Barquero von der Escuela de Ciencias Exactas y Naturales an der Universidad Estatal a Distancia von Costa Rica sowie Dr. Werner Huber von der Universität Wien. „Ziel unserer Studie ist es, die Rolle der Vegetation als Senke für atmosphärisches Quecksilber zu quantifizieren und zu verstehen, wie die Vegetation den Transfer von Quecksilber aus der Atmosphäre in den Boden erleichtert.“
Quecksilberkonzentration steigt in der Nahrungskette
Als natürliches Spurenelement kommt Quecksilber in sehr geringen Mengen in der Umwelt vor. Doch trotz seiner geringen Konzentration kann es hochgiftig sein, insbesondere in seiner chemischen Form als Methylquecksilber. Diese biologisch aktive, toxische Form reichert sich im Gewebe von Organismen schneller an, als es ausgeschieden werden kann. Da kleinere Organismen von größeren Raubtieren gefressen werden, steigt die Konzentration des Schadstoffs mit jeder Stufe der Nahrungskette an – ein Prozess, der als Biomagnifikation bekannt ist. Dies führt auch zu erhöhten Quecksilberkonzentrationen beim Menschen, der zum Beispiel Fisch und Meeresfrüchte verzehrt.
„Außerdem ist Quecksilber ein sehr mobiles Element“, so Marta Pérez Rodríguez. „Im Gegensatz zu den meisten Metallen ist Quecksilber bei Raumtemperatur flüssig und kann auch in gasförmigem Zustand vorliegen, so dass es von seiner Quelle aus weite Strecken in der Atmosphäre zurücklegen, zwischen verschiedenen chemischen Formen wechseln und sich durch verschiedene Umweltbereiche bewegen kann. Das trägt zu seiner Beständigkeit über längere Zeiträume in Ökosystemen und seiner weiten Verbreitung bei.“
In der Abteilung Umweltgeochemie des Instituts für Geoökologie untersuchen die Forschenden unter der Leitung von Professor Harald Biester, welche Prozesse in verschiedenen Ökosystemen ablaufen, welche Verbindungen zwischen ihnen bestehen und wie Umweltveränderungen diese Prozesse verändern oder verstärken können. Marta Pérez Rodríguez: „Diese Erkenntnisse können dazu beitragen, bessere Vorschriften und Kontrollsysteme zu entwickeln, um die Auswirkungen der Quecksilberbelastung zu verringern.“
Von Kakaopflanzen bis zum Regenbaum
Die Probennahmen für ihr Projekt „FORVEST-Hg“ führten Rodríguez und Arteaga in einen saisonal trockenen Tropenwald in der Estación de Investigación Forestal Horizontes in der Region Guanacaste und in einen Regenwald in der Nähe von Piedras Blancas im südpazifischen Teil Costa Ricas. Insgesamt sammelten sie mehr als 100 Blattproben von etwa 60 verschiedenen Arten, die für diese Wälder repräsentativ sind – von Kakaopflanzen über Lianen und Farne bis hin zu majestätischen Bäumen wie dem Regenbaum (Samanea saman). Um die Variabilität innerhalb des Waldes weiter zu erforschen, wurden einige Arten mehrfach in verschiedenen Bereichen desselben Waldes erfasst.
Zusätzlich zu den Blättern sammelten die Forschenden auch Streufall, also trockene Blätter, die von den Pflanzen abgeworfen wurden. „Mit diesen Daten wollen wir die Quecksilberaufnahme in verschiedenen Waldtypen charakterisieren, die Unterschiede innerhalb desselben Waldes und zwischen verschiedenen Arten bewerten und die Menge an Quecksilber quantifizieren, die über die Blattstreu aus der Atmosphäre in den Boden transportiert wird. Dazu messen wir den Quecksilbergehalt in der Streu“, erläutert Marta Pérez Rodríguez. Darüber hinaus hat das Team Baumstämme beprobt, die Aufschluss über das in der holzigen Biomasse angereicherte Quecksilber geben werden. Ebenso haben sie Bodenproben entnommen, um zu ermitteln, wie viel Quecksilber in den Boden gelangt.
Feldarbeit unter erschwerten Bedingungen
Die Feldarbeiten in Costa Rica begannen in der Regel sehr früh. Bereits um 4:45 Uhr waren die Wissenschaftler*innen auf den Beinen, um die kühleren Temperaturen am Morgen zu nutzen. Im Laufe des Tages nahmen Hitze und Luftfeuchtigkeit zu, was die Feldarbeit immer anstrengender machte. „Über den Tag verteilt tranken wir mehr als vier Liter Wasser, ergänzt durch isotonische Getränke und Säfte, um unseren Flüssigkeitshaushalt aufrechtzuerhalten.“
In jedem Wald wählten die Forschenden sechs Probeflächen aus, die sich nur geringfügig voneinander unterschieden, um so die Variabilität der Unterzonen innerhalb des Waldes zu erfassen. Das Fachwissen der Mitarbeitenden der Forschungsstationen war dabei von unschätzbarem Wert. Da es in den tropischen Wäldern sehr hohe Bäume gibt, die manchmal über 50 Meter hoch sind, war es eine aufwendige Arbeit mit mehreren Personen, die Äste selbst in acht Metern Höhe zu erreichen.
Nach Einbruch der Dunkelheit um 18 Uhr war besondere Vorsicht geboten, um Schlangen oder anderen Tieren wie Spinnen, Fröschen oder Skorpionen aus dem Weg zu gehen.
Nach ihrer Rückkehr aus Costa Rica bearbeiten die Wissenschaftler*innen in Braunschweig die gesammelten Proben und begannen mit den ersten Analysen. Diese erste von drei geplanten Probenahme-Kampagnen verschaffte dem Forschungsteam bereits einen wertvollen Überblick. Anhand dieser Daten haben sie die Vorgehensweise für die nächste Probenahme verfeinert und angepasst, die für November 2024 am Ende der Regenzeit geplant ist, wenn die Pflanzen ihre höchste Biomasseproduktion erreichen.