Abenteuer Doktorarbeit: 400.0000 Jahre Klimaveränderung Dr. des. Rodrigo Martínez-Abarca über seine Forschung in Mittelamerika
Im Petén-Itzá-See in Guatemala sind Informationen über Klima- und Umweltveränderungen der vergangenen 400.000 Jahre verborgen. Was hier in Sedimenten am Seegrund schlummert, hat Dr. des. Rodrigo Martínez-Abarca in seinem Promotionsprojekt am Institut für Geosysteme und Bioindikation der Technischen Universität Braunschweig untersucht. Über seine Forschung zum Geheimnis der Seesedimente berichtet er hier.
Vor drei Jahren stellte meine Kollegin Dr. Liseth Pérez erstmals unser damals bevorstehendes Forschungsprojekt am Institut für Geosysteme und Bioindikation (IGeo) vor. Die zentrale Forschungsfrage des Projekts lautete: „Wie hat sich das Klima in den letzten 135.000 Jahren in den Tropen Nord- und Mittelamerikas verändert?“ Einige Monate vor der Veröffentlichung ihres Beitrags begann für mich das, was ich mein „Abenteuer Doktorarbeit“ nenne. Gemeinsam mit meiner Betreuerin Professorin Antje Schwalb, Professor Thorsten Bauersachs (RWTH Aachen) und mehreren internationalen Kolleg*innen begab ich mich auf die Suche nach Antworten. Unsere Forschung konzentrierte sich auf Sedimentkerne aus dem Petén-Itzá-See, der im Tiefland von Nordguatemala liegt. Am Ende rekonstruierten wir Klima- und Umweltveränderungen in der Region während der vergangenen rund 400.000 Jahre.
Zeitliche Skalen des Klimawandels
Der Petén-Itzá-See speichert in seinen Sedimenten am Seegrund Informationen über Klima- und Umweltveränderungen der letzten 400.000 Jahre und ist damit das älteste terrestrische Klimaarchiv im Tiefland der Neotropen. Im Jahr 2006 haben Wissenschaftler*innen im Rahmen des „International Continental Scientific Drilling Program“ (ICDP) mit Unterstützung von Institutionen aus Europa (Schweizerischer Nationalfonds) und den USA (US-NSF) Sedimentkerne aus diesem See entnommen. In den vergangenen 20 Jahren wurden mehrere Studien veröffentlicht, die sich auf das Paläoklima und die Paläoumwelt der Region während der letzten 80.000 Jahre konzentrieren. Meine Doktorarbeit erweitert diese Forschung und untersucht regionale Klima- und Umweltveränderungen auf drei Zeitskalen:
1) 400.000 bis 80.000 Jahre vor heute, eine Zeitspanne, die vier Warm- und Kaltperioden (interglaziale und glaziale Zeiten) umfasst, die jeweils etwa 40.000 Jahre dauerten.
2) 80.000 bis 20.000 Jahre vor heute, eine Periode, in der es zu Niederschlagsänderungen kam, die sich alle 3.000 bis 7.000 Jahre wiederholten und wahrscheinlich mit Änderungen der Atlantikzirkulation zusammenhingen.
3) Die letzten 20.000 Jahre, eine Periode, für die wir Temperatur- und Primärproduktivitätsänderungen im See rekonstruiert haben, einschließlich des letzten großen Vorstoßes der Gletscher der Eiszeit (ca. 23.000-19.000 Jahre vor heute) und des Holozäns (ungefähr 11.700 Jahre bis heute), mit den ersten Siedlungen der Maya in der Region, die vor etwa 3.000 Jahren begannen.
Uralte Umweltveränderungen in der Region
Bei der Untersuchung von Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis entdeckten Paläoklimatolog*innen Hinweise auf Schwankungen der atmosphärischen Temperaturen in den vergangenen 400.000 Jahren. Diese Variabilität wurde auf Änderungen des Neigungswinkels der Erdachse während ihrer Rotation um die Sonne zurückgeführt. Solche langfristigen Veränderungen der Achsneigung werden als Auslöser für Verschiebungen im globalen Klimasystem angesehen.
Mit Hilfe von Messungen an Sedimentkernen aus dem Petén-Itzá-See konnten wir lokale Klima- und Umweltveränderungen identifizieren, die mit den globalen Klimaschwankungen übereinstimmten. In wärmeren (interglazialen) Perioden führten höhere Niederschlagsmengen zu einer Vertiefung des Sees und zu einem Anstieg der Nährstoffkonzentration in der Wassersäule. Im Gegensatz dazu waren die Bedingungen in kälteren (glazialen) Perioden trockener, was zu einer höheren Verdunstung des Sees und damit zu einem niedrigeren Wasserspiegel führte. Unsere Aufzeichnungen weisen auch auf seismische Aktivitäten in der Region hin, da Sedimente im Zeitraum zwischen 300.000 und 150.000 Jahren vor heute fehlen, was darauf hindeutet, dass Sedimente durch ein oder mehrere seismische Ereignisse abgetragen wurden.
Kurzfristige Verringerung der Niederschläge
Wir konzentrierten uns auf den Zeitraum zwischen 80.000 und 20.000 Jahren vor heute und fanden markante Gips-Schichten (Calciumsulfat), die über eine Dauer von 3.000 bis 5.000 Jahren abgelagert wurden. Diese Schichten entsprechen Klimaphänomenen, die als „Heinrich-Stadiale“ bekannt sind. Während dieser Zeiträume drifteten viele Eisberge in den Nordatlantik, was eine Verlangsamung der ozeanischen Strömungen zur Folge hatte, insbesondere der atlantischen meridionalen Umwälzzirkulation. Unsere Forschung zeigt, dass diese Verlangsamung der Meereszirkulation zu einer geringeren Feuchtigkeitsabgabe aus dem Atlantik führte, was sich in geringeren Niederschlägen rund um den Petén-Itzá-See, einer erhöhten Verdunstung des Sees und einem niedrigeren Wasserspiegel niederschlug, wodurch sich wiederum Gips am Seegrund ablagerte. Wir vermuten, dass die Abnahme der Niederschläge wahrscheinlich durch die Abschwächung des karibischen Low-Level-Jet, einem Klimaphänomen, das feuchtigkeitstragende Winde über die Karibik bringt, noch verstärkt wurde. Auch wenn die Dauer dieser Trockenzeiten (3.000-5.000 Jahre) in geologischen Zeiträumen kurz erscheinen mag, hatten sie tiefgreifende Auswirkungen auf die terrestrischen und aquatischen Ökosysteme der Tiefland-Neotropen.
Temperatur im Holozän
Das Holozän umfasst die letzten 11.700 Jahre und ist die aktuelle Warmzeit (Interglazial), die durch höhere globale Temperaturen als während der Eiszeit gekennzeichnet ist. Vor etwa 3.000 Jahren begann die menschliche Besiedlung des Untersuchungsgebiets. In den Sedimenten des Petén-Itzá-Sees haben wir Lipidindikatoren, sogenannte Glycerol Dialkyl Glycerol Tetraether (GDGTs), gemessen. GDGTs sind Membranlipide, die von Bakterien und Archaeen produziert werden. Die Art des produzierten Lipids wird von Faktoren wie dem pH-Wert und der Temperatur beeinflusst, weshalb GDGTs wertvolle Werkzeuge zur Bestimmung vergangener Temperaturen sind. Mit diesem Klimaindikator haben wir herausgefunden, dass die Temperatur nach dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren um 3,5 bis 4,1°C angestiegen ist, von 20,8°C auf etwa 24,2°C zu Beginn des Holozäns. Dieser Temperaturanstieg in Verbindung mit höheren Niederschlägen veränderte die Pflanzenwelt rund um den See erheblich und erhöhte die Nährstoffkonzentration im Seewasser.
Fragen für die Zukunft
Obwohl meine Doktorarbeit mehrere neue Erkenntnisse bringt, wirft sie auch viele neue und interessante Fragen auf. Einige dieser Fragen lauten: Welche Auswirkungen hatte die seismische Aktivität in der Region vor mehr als 300.000 Jahren? Welche weiteren Klima- und Umweltveränderungen könnten während der ältesten glazial-interglazialen Zyklen Spuren in den Sedimenten des Petén-Itzá-Sees hinterlassen haben? Können Lipidindikatoren in Sedimenten, die älter als 20.000 Jahre sind, zur Bestimmung vergangener Temperaturen verwendet werden? Wenn ja, welche Temperaturen herrschten in der Region während früherer Kalt- und Warmzeiten? Diese und viele andere Fragen können in zukünftigen Forschungsarbeiten beantwortet werden. Für den Moment beende ich mit diesem Beitrag mein Doktorabenteuer an der TU Braunschweig.
Text: Dr. des. Rodrigo Martínez-Abarca